Mein Weg zu mährle
– Dagmar Fresenius

Seit ich denken kann ist Handarbeit meine große Leidenschaft. Angefangen hatte das ganz banal mit einer aus Wolle gewebten Umhängetasche auf dem Schulwebrahmen – hat vermutlich jedes Kind irgendwann mal gemacht! Obwohl ich beruflich einen ganz anderen Weg eingeschlagen habe, hat mich diese Leidenschaft nie losgelassen. Es war für mich neben Job und Familie einfach der perfekte Ausgleich: mein persönliches Yoga.

Auch wenn mal nicht so viel Zeit war lebte ich zumindest nach meinem Lieblingsmotto: Wolle kaufen macht Spaß! Und das habe ich dann auch gemacht. Wolle gekauft, bis sich ein ziemlich imposanter Vorrat unter dem Dach angesammelt hatte. Ich konnte also immer voll durchstarten, sobald meine Kinder Lust hatten, ab und zu etwas ohne Mama zu machen – meistens Decken, da man sich hier nicht allzu sehr konzentrieren und mitzählen muss.

Als ich eine Reportage über die Schafhaltung in Australien und den Weg der Wolle nach Europa in die Finger bekommen hatte war ich erschüttert und wurde sehr nachdenklich. Mein Hobby sollte niemandem Schaden zufügen. Weder Tiere leiden lassen noch das Klima und die Umwelt belasten. Mein Wollvorrat unter dem Dach wurde für mich so etwas wie ein Schandfleck. Ich sah den Berg aus Wolle vor mir und wollte ihn am liebsten nie wieder anfassen. Ich befasste mich nun immer mehr mit dem Thema. Ich wollte Garne aus heimischer Wolle erwerben und zurückverfolgen können, wo die Schafe leben und wie sie gehalten werden. Tja!

Obwohl die Deiche in Norddeutschland voll mit den wolligen Vierbeinern sind und ich überall in Deutschland grosse Herden sehen konnte, gab es so eine Wolle nicht zu kaufen. Hoffnungsschimmer waren noch vereinzelt Hofläden, die meine Erwartungen an das Tierwohl erfüllten, aber einfach nicht die farbliche Vielfalt bieten konnten. Und jetzt? Na dann produziere ich mir meine Wolle einfach selbst!

Und genau das war meine Mission im Sommer 2019. Mein Plan war es, in zwölf Wochen die Rohwolle zu kaufen, spinnen und färben zu lassen. Gut strukturiert, mit viel Ehrgeiz und Energie war das ein gut durchdachter Plan. Ich schnappte mir also Kind und Kegel, fuhr zu vielen Schäfereien und lief sogar bis auf die Hallig Süderoog. Ich ging erst wieder, als ich meine 20kg-Säcke mitnehmen und  in Umzugskartons in eine angemietete Garage verschicken konnte. Ende August war ich dann auch startklar für die Verarbeitung, sogar optimal im Zeitplan. Keine Chance! Die Wolle muss industriell gewaschen werden, bevor sie auf die Maschinen der Spinnerei darf. Außerdem haben kleine Mengen Wolle eine Wartezeit von rund 9-12 Monaten. Zeit, die ich nicht mit Warten verbringen wollte! Und größere Spinnereien haben Aufträge unter 500kg Rohwolle gar nicht erst angenommen. Kein Problem! Dann kaufe ich eben 500kg Rohwolle…bis ich merkte, dass man für 500kg gewaschene Rohwolle rund eine Tonne ungewaschene Wolle benötigt. Als Vergleich: Das ist eine gesamte Schafherde von ungefähr 500 Tieren, da Bauch- und Beinwolle nicht mitverarbeitet wird.

Wie sollte ich an sortierte Wolle in dieser Größenordnung kommen? Welcher Schäfer sortiert denn heute noch seine Wolle, da sie mangels Käufer in der Regel einfach weggeworfen wird?  John von der Insel Föhr hatte von Anfang an an meine Idee geglaubt und war begeistert genug, mir meine ersten 800kg sortierte Wolle anzubieten. Ein Moment, an den ich vermutlich für immer zurückdenken werde. Nur so konnte ich mein Unternehmen gründen. Danach kamen Tina mit ihren seltenen Leineschafen und Elmar der Rhönschäfer dazu.

Mittlerweile habe ich eine tolle Schäferfamilie als Partner: John, Martina, Elmar, Knut, Henning & Pay und Andreas & Dieter. Zusammen mit unserer Agentur graphik-pool und der kreativen Stefanie Elsner an der Spitze können wir der heimischen Wolle wieder einen Wert geben. Uns alle eint unsere Liebe zu den Tieren und zur Natur. Es ist ein wunderschönes Gefühl mit ihnen zusammen einen Beitrag zur Artenvielfalt und Nachhaltigkeit leisten zu können und unsere Kunden daran teilhaben zu lassen. Ich habe meinen Weg gefunden…

— Dagmar Fresenius

Text: © Dagmar Fresenius
Fotos: © graphik-pool / Elsner