Schurtag auf der

Schwäbischen Alb!

Frischer Tau säumt die saftigen, weitläufigen Wiesen der Schwäbischen Alb und die letzten Nebelschwaden ziehen durch die Täler. Ein Hahn kräht, verstohlene „Mähs“ schallen über den Hof: Es ist Schurtag auf dem Hof von Dieter Hertler – und die Kandidaten stehen bereits in Reih‘ und Glied.

Während wir bereits mehrfach mährles Helden auf ihren Höfen besuchen durften, hatten wir bis jetzt noch nie das Glück, am großen Schurtag dabei zu sein. Dieser wichtige Schritt in unserem Herstellungsprozess der Wollgarne liegt uns sehr am Herzen. Es ist besonders, live sehen zu können, wie die mährle-Wolle gewonnen und unsere vierbeinigen Stars von ihren dichten Pelzen befreit werden. Zu sagen, dass wir gespannt waren, erklärt sich als selbstverständlich.
Neben uns, als beeindruckte Beobachter, waren vier Personen für die Schur selbst, fünf Personen zum Sortieren der Wolle (dazu später mehr!) und drei zusätzliche Helfer vor Ort. Das war auch bitter nötig, denn die Wollschur ist wirkliche Schweißarbeit – und zeitaufwendig. Insbesondere dann, wenn über hundert Schafe darauf warten, bedient zu werden und sich gut und gerne mal von einem Halm am Wegesrand, oder einem plötzlich sehr interessanten Artgenossen ablenken lassen.

An diesem Tag sind also nicht nur Ausdauer und Kraft gefragt, sondern auch gute Planung und Arbeitsteilung.

So wird der gesamte Prozess in verschiedene Stationen aufgeteilt, die wir alle genau unter die Lupe nehmen durften. Das macht die Arbeit für die Schäfer leichter und angenehmer für unsere Herde.

Die Schur ist kein Produkt eines modernen Effizienzgedankens, sondern die Konsequenz von jahrhundertelanger Tradition, die sich stets weiterentwickelte. Und obwohl der gesamte Prozess für uns unheimlich schnell abläuft, wird im Gegensatz zur industriellen „Massenverarbeitung“ jedem Schaf genug Freiraum und Zeit gewährt um nicht unnötig gestresst zu werden. Das ist auch gut so, denn das Wohlbefinden des Tieres kann nicht plötzlich ignoriert werden, wenn es um das Gewinnen von Rohstoffen geht. Das möchten wir nicht, und ganz besonders auch die Schäfer der mährle-Herden nicht. Mit Respekt gegenüber Natur, Tier und Mensch möchten wir hier handeln. Ganz abgesehen davon, tut man unseren Vierbeinern mit der regelmäßigen Schur auch etwas Gutes. Während das dicke Fell unsere Schafe im Winter warm und kuschlig hält, kann es im Sommer zu einer waschechten Lebensbedrohung werden: die wahnsinnig gute Isolierung der Wolle behindert die Luftzirkulation, was bei hohen Sommertemperaturen zu einem Hitzestau führen kann. Deswegen: runter damit vom Schaf und rein in unsere Wohnzimmer als wunderschöne Handarbeitsprojekte!

Und während es verschiedene Möglichkeiten der Schafschur gibt, erfreut sich die „neuseeländische Variante“ immer größerer Beliebtheit: hier wird das Schaf sicher zwischen den Beinen des Scherers gehalten um möglichst viel Kontrolle über den Vorgang zu behalten und den Prozess so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Hier wird dann zunächst die gesamte Wolle abgetragen, um daraufhin das Vlies von den verschmutzten und aufgrund ihrer Beschaffenheit unbrauchbaren Wollanteilen getrennt zu werden. Unser persönlicher Favorit der Wollabfälle: die Auspuffstellen, deren genaue Positionen an dieser Stelle dem Leser überlassen werden!

Da Wolle ein reines Naturprodukt ist, unterscheidet es sich – je nach Körperstelle des Schafs – sehr in seiner Beschaffenheit. So ist Wolle von den Beinen beispielsweise viel rauer und borstiger als das restliche Vlies – logisch, es schützt ja auch eine ganz empfindliche Stelle! Entsprechend aufwendig ist auch der Sortiervorgang, der im Umkehrschluss allerdings auch garantiert, dass nur die auserlesenste Wolle es zum Garn und damit direkt in eure heimischen Wohnzimmer oder die direkt Haus schafft! Nachdem wir Stück für Stück die Weiterverarbeitungsschritte unserer Wolle kennengelernt haben, war es beeindruckend zu sehen, wie viel Vorarbeit bereits direkt auf dem Hof geleistet wird, um die angestrebte mährle-Qualität zu garantieren!

Wir kehren gerne zur nächsten Schur zurück – und wer weiß, vielleicht nimmt einer unserer Schäfer an einem der vielen Schurwettbewerben, die regelmäßig auf der ganzen Welt stattfinden, teil!

Möchtest du wissen was mit der frisch geschorenen Wolle anschließend passiert? Dann begleite unseren Herstellungsprozess weiter ins Schafwollzentrum Ötztal, wo unsere Wolle baden geht.

— Steffi Elsner

Text: © Steffi Elsner
Fotos: © graphik-pool / Elsner