mährles Helden

– Dieter Hertler

Grüßt euch! Ich bin Dieter Hertler, ich kümmere mich um die Schafe, die euch vermutlich als mährles Albschaf bekannt sind.
Schäfer zu sein bedeutet mir viel, um nicht zu sagen: alles! Schäfer zu sein bedeutet Meditation. Die Nähe zu Tier und Natur finden. Mit den Händen anzupacken. Spuren in der Landschaft zu hinterlassen. Vieles geben und noch mehr zurückbekommen.

Seit vierzig Jahren ziehe ich mit meiner Herde nun schon umher, 365 Tage im Jahr. Meine Tiere und ich haben viel gesehen und – vieles ausgehalten. Seit Tag 1 bin ich mit voller Begeisterung Teil dieses Abenteuers.

Und ich glaube, viele Menschen könnten sich für diesen Beruf begeistern. Es ist ein umfangreiches Handwerk mit einer Menge Tradition. Gerade hier, auf der Schwäbischen Alb, prägen Schäfer und ihre Herden seit Jahrhunderten das Landschaftsbild. Sie sorgen für eine ganz organische, naturbelassene Art der Artenregulierung und sorgen für einen beständigen Lebensraum, der das Fortbestehen von Flora und Fauna garantiert.
Klar, sobald Menschen involviert sind, überlässt man die Natur nie ganz sich selbst. Das muss aber nichts schlechtes sein! Während die neuzeitige Konsumlandschaft ihr bestes daran tut, Ressourcen in einem verantwortungslosen Tempo zu verbrennen, kann der Mensch auch eine unheimliche Bereicherung für seine Umwelt sein.

Mit dem nötigen Respekt, einer Menge Demut und einer großen Portion Leidenschaft und Engagement, kann er mit der Natur arbeiten, ihr – wo nötig – unter die Arme greifen und sie bei allem anderen nicht stören. Das beste Beispiel hierfür ist das Herzensprojekt Hutewald. Eine lichte Waldweide, umzingelt von großen, tiefbeasteten Buchen. Der Anblick einer Lichtung in einem solch dicht bewachsenen Wald ist magisch und vielen vielleicht schon gar nicht mehr bekannt. Kein Wunder! Immerhin sind diese Biotope in Mitteleuropa extrem selten geworden. Das ist nicht nur schade um den Anblick, sondern vor allem um die unzähligen bedrohten Pflanzenarten, die eine solche Lichtung ihre Heimat nennen: viele von ihnen haben wir  in unseren Gefilden bereits verloren, aber mit Projekten wie dem Hutewald tun wir unser bestes daran, den Rest des einzigartigen Artenbestands zu erhalten. Ein besonderes Lob verdiene hier nicht ich, sondern meine Schafe. Durch ihr selektives Fressverhalten sind sie wahrlich Experten in der Grundpflege solcher sensiblen und verwundbaren Flecken Erde. Und so fügt sich der Hutewald nahtlos in das geliebte Landschaftsbild der Nordalb, mit ihren naturbelassenen Wäldern, den ausufernden Schafsweiden und den Wachholderheiden, die vermutlich endlose Geschichten erzählen könnten, wenn sie denn mit uns sprechen würden.

Aber solange sie das nicht tun, müssen wir selbst unsere Schlüsse ziehen wenn wir über die Weiden wandern, können uns oft nur darüber wundern, wie etwas so schönes entstehen und bestehen konnte. Sich wundern … Ja, auch ich wundere mich heute noch oft. Die Route, die meine Schafe und ich nun schon in der siebten Generation bewandern kenne ich wie meine Westentasche, wie der Cowboy sagt. Ich erkenne Stock und Stein Jahr um Jahr wieder, aber meine Verwunderung und Begeisterung habe ich nie verloren. Sicher kann ich sagen, dass das auch niemals passieren wird.
Und ich bin froh um jeden, der diese Gefühle teilen kann.

Überrascht und erfreut war ich deshalb, als Frau Fresenius mir von ihrem Projekt erzählt hatte. Wenn man sich manchmal so aus der Zeit gefallen fühlt, tendiert man dazu zu vergessen, dass auch außerhalb der Alb noch Werte wie Umweltschutz und Tierliebe nichts Fremdes sind. Und, dass das keine Nischengefühle sind, sondern sie direkt aus der Bevölkerung stammen.
Wir danken jedem einzelnen, der sich uns verbunden fühlt und glauben fest daran, dass unsere Gesellschaft den Weg zur Natur wiederfinden wird. Ich, und meine Albschafe.

— Dieter Hertler

Text: © Dieter Hertler
Fotos: © Steffi Elsner